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Frank Ulbricht
Ein Interview mit Reiner Schock,
Rechtsanwalt in Halle (Saale)
FU: Herr Rechtsanwalt, alle Welt spricht von Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung. Ist das wirklich so ein wichtiges Thema - oder
werden hier nur Ängste verbreitet, um damit möglichst viel Geld zu
verdienen?
RS: Von Geld verdienen kann an dieser Stelle keine
Rede sein. Auf dieser Webseite wird dargestellt, wie man auch ohne
anwaltliche Hilfe oder Beauftragung eines Notars zu rechtskonformen
Dokumenten kommen kann. Dies ist völlig kostenlos, wenn man diese Zeilen
befolgt. Zweifellos ist es aber so, dass die betreffenden Dokumente
tatsächlich äußerst wichtig sind.
FU: Gut, gehen wir der Reihe nach vor. Um welche Dokumente handelt es
sich eigentlich?
RS: Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung,
Sorgerechtsverfügung und Unternehmervollmacht, in derselben Rangfolge
ihrer Wichtigkeit, je nach Bedarf. Ein Notar ist nur in Spezialfällen
erforderlich. Ein Testament hingegen bestimmt die Rechtsnachfolge, und
besonders, was mit dem Vermögen nach dem Tod passiert. Man darf es nur
handschriftlich oder vor einem Notar errichten.
FU: Wir reden also über vier oder sogar fünf Dokumente - braucht man die
wirklich alle?
RS: Nein, natürlich nicht! Im Normalfall kommt der
Bürger mit der Vorsorgevollmacht und eventuell noch einer
Patientenverfügung aus. Die Sorgerechtsverfügung für minderjährige
Kinder ist eher für Alleinerziehende interessant und die
Unternehmervollmacht dem Namen entsprechend für Selbständige und
Firmeninhaber.
FU: Wenn ich das richtig verstanden habe, ist die Vorsorgevollmacht
dabei das wichtigste Dokument - wieso eigentlich?
RS: Wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist,
seinem Willen Ausdruck zu verleihen oder seinen Geschäften nachzugehen,
muss dies ein anderer tun. Diese Person kann man selbst festlegen, indem
man sie "vorsorglich" mit einer allumfassenden Vollmacht ausstattet. Tut
man das nämlich nicht, wird durch das Betreuungsgericht im Bedarfsfall
ein Betreuer eingesetzt. Dabei ist es ein Irrglaube, dass automatisch
der Ehepartner als Betreuer eingesetzt wird. Nicht ganz zu vergessen ist
auch, dass vom Betreuungsgericht Gerichtskosten gefordert werden.
FU: Es kann auch eine völlig fremde Person vom Gericht als Betreuer
eingesetzt werden?
RS: So ist es – und jeder Betreuer muss auch
entlohnt werden! Wenn aus irgendeinem Grund der Ehepartner nicht als
geeignet erscheint (z.B. trennungs-, alters- oder krankheitshalber),
kann auch ein fremder Betreuer eingesetzt werden. Mit einer
Betreuungsverfügung kann man dem Gericht einen Betreuer aus dem
persönlichen Umfeld vorschlagen. Eine Vorsorgevollmacht erübrigt in sehr
vielen Lebenssituationen, wenn auch nicht in allen, die Bestellung eines
Betreuers, weil dieser dann nicht benötigt wird.
FU: ... gleichzeitig ist das aber auch das gefährlichste Dokument?
RS: Ja, weil man sein Leben aus der Hand gibt,
wenn die Vorsorgevollmacht in falsche Hände kommt. Der Vollmachtgeber
gibt sein gesamtes Vermögen, sein Brief- und Postgeheimnis und alle
persönlichen Angelegenheiten aus der Hand.
Das muss man sich genau überlegen!
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass die Vorsorgevollmacht es
nicht verhindern kann, dass der gehandicapte Vollmachtgeber zusätzlich
auch noch selbst, etwa bei Demenz, unvernünftige Geschäfte abschließt
bzw. etwas Nachteiliges unterschreibt. Unvernünftige Geschäfte sind
nicht automatisch unwirksam.
FU: Aber tut es nicht auch ein Betreuer?
RS: Gewissermaßen ja, aber jeder Betreuer (ggf.
auch der Ehepartner) ist dem Betreuungsgericht rechenschaftspflichtig.
Wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt, entfällt die Rechenschaftslegung
zunächst. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten: Stirbt der
Vollmachtgeber, können seine Erben vom Vollmachtnehmer fordern, dass er
rückwirkend Rechenschaft ablegt.
FU: Was muss man also beachten?
RS: Die Vorsorgevollmacht sollte man erst dann aus der Hand geben, wenn
man selbst nicht mehr handeln kann – und dann nur an absolut
vertrauenswürdige Personen. Auch können darin ja beispielsweise auch
zwei oder sogar mehrere Bevollmächtigte stehen, die nur zusammen handeln
sollen. Oder mehrere, von denen jeder einzeln Handeln kann. Das kann man
auch auf bestimmte Rechtshandlungen beschränken.
FU: Kann man die Vollmacht widerrufen?
RS: Jederzeit! Man kann sie widerrufen und das Papier zurückfordern,
auch Dritten den Widerruf bekannt geben. Denn wenn der Vollmachtnehmer
das Papier nicht hergibt und - egal wo - vorlegt, darf der Angesprochene
auf die Wirksamkeit vertrauen, solange er nichts von dem Widerruf weiß.
FU: Gibt es für die Rückforderung einen bestimmten Rechtsweg?
RS: Beim örtlich zuständigen Amts- oder
Landgericht muss Klage eingereicht werden. Beim Landgericht herrscht
sogar Anwaltszwang, aber auch beim Amtsgericht sollte man besser einen
Rechtsanwalt beauftragen.
FU: Die Patientenverfügung wurde als zweitwichtigstes Dokument genannt.
Da geht es sicher um die Rechte von Patienten?
RS: Ja und Nein! Die Patientenverfügung sichert in
erster Linie Ärzte ab, damit sie nicht gegen den ärztlichen Eid
verstoßen müssen oder sich gar strafbar machen, wenn sie dem Wunsch des
Patienten folgen, die Behandlungen auf das nötige Maß zu minimieren.
FU: Das heißt, wenn es um den Sterbeprozess geht und der Patient sich in
einer ausweglosen Lage befindet…
RS: Genau – und vor allem in einer Lage, wo er
selbst nicht mehr seinem Willen Ausdruck verleihen kann. Dann sind die
Ärzte (seit 2009 gesetzlich geregelt) verpflichtet, dem eindeutigen
Willen des Patienten umzusetzen. Die Formulierungen in der
Patientenverfügung müssen also eindeutig sein. Es reicht nicht, von
einer „schweren Krankheit“ oder „großen Schmerzen“ bzw. "in Würde
sterben" zu sprechen.
FU: Wer formuliert die Patientenverfügung?
RS: Das kann der betroffene Bürger selbst!
Natürlich kann man sich einem Notar oder Rechtsanwalt anvertrauen, oder
sich von einem Verein helfen lassen etc. Man kann aber auch die
Formulierungsempfehlungen des Bundesjustizministeriums zu Grunde legen
und dann selbst auswählen, was davon man ausformulieren möchte.
FU: Worauf kommt es da an?
RS: Zunächst auf die Form - schriftlich, das heißt
eigenhändig unterschrieben muss sie sein. Dann auf möglichste
Eindeutigkeit. Der Arzt muss erkennen bzw. interpretieren können, ab
welchem Stadium einer Krankheit die Verfügung gilt und wieweit der
Wunsch des Patienten genau reicht.
FU: Und wie lange ist die Patientenverfügung gültig?
RS: Normalerweise ewig. Wichtig ist aber auch,
dass sie glaubhaft ist. Hat der Verfasser z.B. verfügt, dass er keine
lebensverlängernden Maßnahmen wünscht, so könnte dieser Wunsch
angezweifelt werden, wenn sich herausstellt, dass er gerade vor kurzer
Zeit erst erneut geheiratet hat oder inzwischen neue Therapiemethoden
existieren. Es ist also auch wichtig, seine eigenen getroffenen
Festlegungen von Zeit zu Zeit durchzusehen, der möglicherweise
geänderten Lebenssituation anzupassen und die getroffenen Verfügungen
(auch wenn sich keine Änderungen ergeben haben) in gewissen
Zeitabständen unten darunter nochmals neu zu unterschreiben.
FU: Das ist nachvollziehbar. Schon daher ist wohl eine
eigenverantwortliche Erstellung und Aufbewahrung der Patientenverfügung
sinnvoller.
RS: Das ist unkomplizierter und ohne Risiko, wenn
man sich beispielsweise an die Formulierungsvorlagen des BMJ hält. Ach
die Aufbewahrung zu Hause ist kein Problem. Eine Notfallkarte, in der
Brieftasche mit sich geführt tut aber gute Dienste, damit
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht auch gesucht und gefunden
werden können.
FU: Die anderen drei Dokumente wurden eingangs nicht als so wichtig
eingestuft - wieso eigentlich nicht?
RS: Die Betreuungsverfügung ist in gewissem Maße
unnötig, wenn man eine Vorsorgevollmacht erstellt hat. Der
Betreuungsrichter wird daraus erkennen können, dass der Vollmachtnehmer
auch als Betreuer eingesetzt werden kann, wenn die Vorsorgevollmacht
einmal nicht mehr ausreicht.
FU: Kommen wir nun zu der Frage, wie man zu wirklich rechtskonformen
Dokumenten kommt...
RS: Das Recht, also die gesetzlichen Grundlagen,
können sich im Laufe der Jahre ändern. Erst seit 2009 hat z.B. die
Patientenverfügung Einzug ins Gesetz (BGB) gefunden. Man kann aber davon
ausgehen, dass auch alle früher erstellten Dokumente noch vollständig
rechtskonform sind. Das Gesetz 2009 hat die älteren Dokumente gerade
erst gesetzeskonform gemacht. Was heute im Gesetz steht, wurde früher
schon länger durch die Rechtsprechung der Gerichte etwa genauso wie
heute entschieden. Aber damals war mangels eindeutiger Paragrafen die
Unsicherheit noch viel größer, ob man etwa als Arzt ein Strafgesetz
verletzt und wie dann ein Gericht entscheidet, wenn man die Versorgung
eines Patienten ohne eindeutig gültige Rechtsvorschrift abbricht, weil
es sein schriftlicher Wille war.
Es ist es aber trotzdem dringend angeraten, seine Dokumente von
Zeit zu Zeit zu überprüfen und - wie schon erwähnt - in regelmäßigen
Abständen neu zu signieren. In größeren Abständen sollte man sich die
Vorlagen vom BMJ ansehen und auf veränderte Passagen durchgehen. Des
Weiteren sollte man überlegen, ob sich die eigenen Wünsche geändert
haben.
FU: Es gibt also Vorlagen vom BMJ, die allen Bürgern zugänglich sind...
RS: ... und die somit die sicherste Grundlage für
eine Rechtskonformität darstellen. Sie sind im
Internet
zu finden, wo das BMJ präsent ist.
FU: Wie geht man ganz konkret vor, um "seine" Dokumente zu erstellen?
RS: Zunächst muss man sich im Klaren sein, was und
welche Dokumente von den genannten man wirklich will. Das klingt
leichter, als es ist. Diese Festlegung muss jeder für sich treffen. Und
das zu einer Zeit, wo man noch durchschnittlich gesund und mental fit
ist. Es ist schwer, sich in eine lebensbedrohliche Situation oder eine
unheilbare Krankheit hineinzuversetzen…
FU: Wenn ich mich zu bestimmten Formulierungen durchgerungen habe,
brauche ich das dann nur noch unterschreiben und fertig?
RS: Prinzipiell ja. Es ist aber jedenfalls für
eine Patientenverfügung noch sicherer, einen oder mehrere Zeugen dafür
zu haben, dass die getroffenen Verfügungen bei voller Geschäftsfähigkeit
getroffen wurden. Zeugen können zusätzlich auf der Patientenverfügung
unterschreiben. Im Zweifelsfall würden sie dann vor Gericht eine Aussage
machen müssen, falls der Arzt vom Staatsanwalt Schwierigkeiten bekommt.
FU: Nehmen wir an, es sind endlich alle Hürden genommen, und die
Dokumente sind aufgesetzt. Wo muss ich diese hinterlegen?
RS: Von "müssen" ist keine Rede! Jeder Bürger
entscheidet selbst, wo er „seine“ Dokumente hinterlegt – und welchen
finanziellen Aufwand er betreiben will.
Man kann die Dokumente im Wohnzimmerschrank lagern oder in
seinem Notfallkoffer – sofern vorhanden. Wichtig ist nur, dass der
Aufbewahrungsort im familiären Umfeld bekannt ist oder sonst irgendwie
herausgefunden werden kann.
FU: Aber es wird doch immer von einem "Vorsorgeregister" gesprochen, wo
Ärzte rund um die Uhr das Vorhandensein einer Patientenverfügung abrufen
können?
RS: Die Bundesnotarkammer unterhält ein
öffentliches Vorsorgeregister, dessen Inanspruchnahme aber nicht Pflicht
ist. Diese ist zur Abfrage durch die Gerichte bestimmt, nicht die
Ärzteschaft. Dazu muss man wissen, dass Ärzte beim Betreuungsgericht
nachfragen müssen, wenn es um Leben oder Tod geht. Das Gericht kümmert
sich dann um Weiteres.
Um das Thema "Abschalten" geht es zunächst nicht. Ist jemand
nicht ansprechbar, muss er nach einigen Tagen immer einen Betreuer
bekommen. Wenn der Patient eine Notfallkarte (handgeschrieben auf Karton
oder in gedruckt edler Plastik-Ausführung) in seiner Brieftasche mit
sich führt, wird geprüft, ob die Dokumente, auf die dort verwiesen wird,
ausreichen. Kommt der Patient wieder zu sich, reicht die
Vorsorgevollmacht aus. Ist er bewusstlos, erforscht das Gericht seinen
mutmaßlichen Willen mit den Dokumenten und entscheidet, ob ein Betreuer
bestellt wird und wer das ist.
Wichtig ist nur, dass man irgendwie zeigt, dass derartige
Dokumente vorhanden sind und wo sie aufbewahrt werden.
Aber zunächst müssen die betreffenden Dokumente
erst mal ordentlich erstellt werden und noch viele andere Dinge im Leben
geklärt werden! Meine Empfehlung dafür ist
"Wichtiges aus meinem Leben",
was es in jeder örtlichen Buchhandlung gibt.
Und schließlich noch ein ganz wichtiger Hinweis: Wenn es um
wirklich große Vermögen geht oder Unternehmen von besonderem Gewicht,
ist eine professionelle Erstellung der betreffenden Dokumente durch
einen Notar oder Anwalt dringend anzuraten, denn Juristen können beraten
und entscheiden, was erforderlich ist und was nicht.
FU: Herr Rechtsanwalt, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
|
ZU VIEL
TEXT ?
JA, leider!
Wenn es Ihnen einen zu großen Zeitaufwand macht, das
nebenstehende Interview durchzulesen, dann haben Sie teilweise
Recht.
Wichtige Dinge im
Leben kosten Zeit!
Man kann das
Thema sicherlich auch
nach dem Motto
"Manmüsstemal"
auf die lange Bank schieben... |